Zur Aktivenkonferenz »Degrowth Vienna 2020«

Die diesjährige internationale Online-Konferenz »Degrowth Vienna 2020: Strategies for social-ecological Transformation« (29.05.–01.06.) war sehr gut besucht. Auch ich brachte mich gerne ein und diskutierte mit vielen sozial und ökologisch bewegten Wissenschaftler*innen und Aktiven. Im Teil »Strategien in der Praxis« habe ich einen interaktiven Workshop organisiert und moderiert. Er beleuchtete den »K[r]ampf um gemeinwohlorientiertes Geld« und zog »Lehren aus den jüngsten (gescheiterten) Geldreforminitiativen«. Im Folgenden dokumentiere ich ein paar Auszüge aus meinem Konzept sowie einige Reflexionen zu den Zielen und Ergebnissen.

Problemaufriss und Relevanz

Seit dem globalen Finanzsystemcrash 2008 und zusätzlich angefeuert durch die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) haben Ideen zur Reform der real existierenden Geldpraktiken und Geldpolitik wieder Hochkonjunktur. Das gilt nicht nur in sozialen Bewegungen, sondern gerade auch in interessierten sozioökonomischen Wissenschaftskreisen und ganz vereinzelt auch bei Fachpolitiker*innen. Seien es die vielfältigen Ausprägungen von Regio- und Tauschgeld, oder das »Vollgeld«-Konzept nach Joseph Huber, »Positive Money« et al., oder sei es universell einsetzbares digitales Zentralbankgeld (»Central Bank Digital Currency«, CBDC), Christian Felbers »demokratische Bank« bzw. generell Gemeinwohlbanken. Ideen, aber auch politische Initiativen und Kampagnen für Geldreformen gibt es unzählige. Oft eint sie einzig und allein der Gedanke, stabile(re)s und demokratisch(er) kontrolliertes Geld zu schaffen, um die tendenzielle Inflation und Krisenanfälligkeit unseres heutigen Geldes, den mit der Geldmenge ebenfalls wachsenden Rendite- und Verwertungsdruck und – nicht zu vergessen – die in den letzten Jahrzehnten massiv ausgebaute Dominanz der Finanzmärkte wirksam(er) einzuhegen.

Immer mehr Geldreformbewegte wollen zudem die hoch politischen Instrumente der sich selbst als »unpolitisch« darstellenden Geldpolitiker (und wenigen Geldpolitikerinnen) in den Zentralbanken explizit sogar zur Belebung der regionalen Wirtschaft oder zum sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft eingesetzt sehen. Stichworte sind hier »Green Quantitative Easing« bzw. »grüne Geldpolitik«. Sie sollen die laufenden Wertpapier- und Anleihenkaufprogramme der EZB ersetzen, die realiter Banken und in der Regel fossile Konzerne fördern. Daneben lassen sich noch andere Verteilungsfragen, Ungerechtigkeiten und Ungleichgewichte anführen.

Die reale politische Wirkmächtigkeit solcher Ideen und Reformvorschläge ist ebenso höchst durchwachsen und je nach Staat unterschiedlich wie die Strategiefähigkeit der sie tragenden sozialen Interessen- und Lobbygruppen. So scheiterte die Schweizer »Vollgeldinitiative« beim landesweiten Referendum im Jahr 2018 zwar deutlich an den Wahlurnen. Angesichts der hochkomplexen Materie und des massiven Gegenwindes wirkte sie aber dennoch vergleichsweise gut gemacht. […] Auch in Island versandeten ähnliche Bestrebungen trotz Fürsprache des damaligen Premierministers schon im Ansatz im Parlament.

Während sich die Europäische Zentralbank und vor allem die Deutsche Bundesbank noch gegen den Gedanken eines digitalen Zentralbankeuro für die Allgemeinheit sträuben, gelang es beispielsweise im niederländischen Parlament, die Idee eines sicheren Zentralbankkontos für alle zu stärken. Selbst die Schwedische Reichsbank, sonst oft als einer der Gralshüter des »freien Marktes« wahrgenommen, forscht gezielt in diese Richtung. Außerdem erfreuen sich mittlerweile die Rufe nach »grüner« Geldpolitik einer zunehmenden Akzeptanz bei den etablierten Finanzeliten und Assetmanager*innen. Auch hier gehört die Schwedische Reichsbank mit ihrem klimastrategischen Divestment zu den globalen Vorreitern.

Aus diesen Gründen drängen sich ganz generell zwei Fragen auf. Inwieweit kann die monetäre Dimension eine sozial-ökologische Transformation der »imperialen« und wachstumshörigen westlichen Wirtschaftsweise voranbringen oder gar beschleunigen? Und was kann man aus den bisherigen Initiativen für zukünftige Transformationsstrategien lernen?

Ziele und Ergebnisse im Rahmen der Konferenz »Degrowth Vienna 2020«

In meinem interaktiven Workshop reflektierten wir in transdisziplinärer Art und Weise beispielhaft das Vorgehen ausgewählter gemeinwohlorientierter Geldreforminitiativen. Dazu gehörten »Vollgeld«, digitales Zentralbankgeld und ein Gemeinwohlbankprojekt. Der Workshop ermunterte sowohl Wissenschaftler*innen als auch politische Akteur*innen, Praxisvertreter*innen und thematisch Interessierte zu einem fruchtbaren gemeinsamen Austausch. Die Gruppenarbeit zu den Fallbeispielen gestalteten neben mir drei weitere geladene Expert*innen.

Das jeweilige Vorgehen bei den genannten Beispielen haben wir kritisch reflektiert, indem wir insbesondere Erfolgsfaktoren, Hindernisse und wirkmächtige Hebel- bzw. Kipppunkte in den jeweiligen Bezugskontexten herausgearbeitet und diskutiert haben. Damit leistete der Workshop einen Beitrag dazu, Strategien zur sozialen, ökologischen und demokratischen Transformation des bestehenden Geldsystems erfolgsorientiert weiterzuentwickeln.

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