Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Staatsoberhaupt, das auf repräsentative Aufgaben beschränkt ist, mit wahrlich bedeutungsschweren und emotional berührenden Reden regelrechte Begeisterungswellen entfacht und sich so ins kollektive Gedächtnis breiter Bevölkerungsschichten einprägt. König Harald von Norwegen ist dies jetzt gelungen. Wortgewandt appellierte er an ein Miteinander in Vielfalt und beschwor Vertrauen, Solidarität und Großzügigkeit unter den in seinem Land lebenden Menschen.
Harald V. (*1937), der dieses Jahr sein 25-jähriges Thronjubiläum beging, hielt die knapp fünfminütige Ansprache am letzten Donnerstag, dem 1. September. Das Königspaar richtete im »Dronningparken«, einem Teil des Schlossparks, der die königliche Residenz zu Oslo umgibt, eine Art Gartenparty für 1500 aus allen Teilen des Landes geladene Gäste aus. Die Rede des Königs ist im Original mit englischen Untertiteln auf dem YouTube-Kanal von »Norsk rikskringkasting« (NRK), der staatlichen norwegischen Rundfunkgesellschaft, dokumentiert. Es lohnt sich, sie anzuhören und wirken zu lassen.
Ein Norwegen, das in Vielfalt vereint ist
Gerade in Zeiten verstärkter rechtspopulistischer, nationalistischer kleingeistiger Agitation, gerade in Zeiten erneut zunehmender gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, zentrifugaler Kräfte und Spaltungstendenzen in ganz Europa, die sich bis tief in die Mitte der Gesellschaften und Regierungen fressen, klingen die weisen Worte des Königs sehr wohltuend. Sie fordern zur Selbstreflexion auf und können helfen, die Betrachtungsperspektiven und damit die Akzeptanz der Wirklichkeit zu erweitern. Denn sie rufen in Erinnerung, dass alle Menschen gleich an Würde sind und Respekt für ihre Lebensentwürfe verdienen. Letztendlich trennen die allseits beliebten Schubladen und das Denken in Staatsgrenzen nur.
»Heimat« sei dort, wo das Herz ist. Ohnehin sei es nicht immer einfach zu bestimmen, woher man eigentlich kommt, welche Nationalität man hat, stellt der König treffend fest. Staaten und Staatsbürgerschaften sind menschliche Konstrukte. Auch seine Großeltern seien vor 110 Jahren Immigranten gewesen, erinnerte Harald V. seine Landsleute. Sein Großvater, der vom norwegischen Volk zum König gewählt wurde und die Dynastie begründete, entstammte dem dänischen Königshaus. Seine Großmutter war eine britische Prinzessin.
Egal, ob man eingewandert sei oder seit Geburt im Land lebe. Egal, welche sexuelle Orientierung oder Religion oder Status oder Vorlieben oder, oder, oder … man habe. Es seien genau diese Menschen, die ein Land prägen, hob König Harald hervor. »Mit anderen Worten: Ihr seid Norwegen. Wir sind Norwegen.« Alle seien das »Volk« und machen die wohltuende Vielfalt und Offenheit des Landes aus.
My biggest hope for Norway is that we will manage to take care of each other. That we can build this country further on trust, solidarity and generosity. That we can know that we – despite our differences – are one people. That Norway is one.
Eine vorbildliche Rede
Als überparteiliche und die staatliche Einheit verkörpernde Institution darf Norwegens König zwar keine parteipolitischen Meinungen äußern. Dennoch bezieht sein Appell ganz klar Position für gelebte Vielfalt, Toleranz, Inklusion, Solidarität und Großherzigkeit. Durch seine behutsame schlichte Wortwahl und Komposition unleugbarer Tatsachen, welche die vielfältigsten Lebenssituationen mit viel menschlicher und heimatverbundener Wärme zu beschreiben vermögen und dabei von einer Aura hoher Glaubwürdigkeit umgeben sind, ist ihm insoweit die Quadratur des Kreises gelungen.
Mit seiner Rede hat der Monarch unerwartet große mediale Breitenwirkung und hohe Zustimmung weit über die norwegischen Landesgrenzen hinaus erzielt. Daumen hoch heißt es deshalb allerorts in den sozialen Netzwerken. Seine Worte waren richtig und wichtig – gerade heutzutage. Aufgrund dieser breiten öffentlichen Unterstützung ist des Königs Rede allerdings auch ein indirekter Wink in Richtung der eigenen rechts-konservativen Regierung mit ihrer restriktiven Asylpolitik. Sie ist ebenfalls ein Lichtblick und Wegweiser in unklaren Zeiten.
Politische Verantwortungsträger*innen in Deutschland und in anderen Ländern könnten, wenn sie denn nur wollten, hierin ein handlungsleitendes Vorbild finden. Wer wie Bayerns Regierung und CSU in der Migrations- und Inklusionsfrage die bewusste Nähe zu rechtspopulistischer, deutschtümelnder und bisweilen rassistischer Agitation sucht und das gesellschaftspolitische Rad der Zeit am liebsten zurückdrehen will, der fördert die originalen Hassprediger*innen auf der politischen Rechten. Das führt nicht in eine Zukunft des geeinten Miteinanders in Vielfalt, sondern zu Hass, sozialen Konflikten und gesellschaftlicher Spaltung.