Was versteht man unter »Militarismus« und welche prinzipiellen Begriffsverwendungen gibt es?
Definition der Militarismus-Begriffe
»Militarismus« kommt vom französischen Wort militarisme und bedeutet so viel wie Militärherrschaft. In der politischen Auseinandersetzung dient(e) dieser nach 1860 aufgekommene Ausdruck oft zur polemischen Stigmatisierung des Gegners oder als negative Kontrastfolie. Deshalb und aufgrund seiner Vieldeutigkeit kann er auch kaum wertfrei verstanden werden.
In wissenschaftlichen Fachkreisen problematisiert der Militarismus-Begriff das Vorherrschen bzw. die relative »Überbewertung des Militärischen« in einem Staat, in Politik und Gesellschaft. Sie sind dann »militaristisch« geprägt, wenn sie einseitig auf die materiellen und ideellen Bedürfnisse der Streitkräfte ausgerichtet sind. Dabei handelt es sich vor allem um Meinungen, Wertvorstellungen, Denk- und Handlungsweisen,
die der militärischen Stärke und der Rüstung über das als notwendig erachtete Maß hinaus bei gleichzeitiger Missachtung des Friedenswillens den Vorrang vor allen anderen Staatsaufgaben einräumen.
Strauß et al. (1989), S. 248.
Militarist*innen glauben an das so genannte »Recht des Stärkeren« in den Internationalen Beziehungen. Im Vertrauen auf ihre eigene militärische Stärke setzen sie daher auf Gewalt, Krieg und Aggression, um machtpolitische Interessen durchsetzen und Konflikte (temporär) entscheiden zu können.
Begrifflich weniger bekannt, aber keinesfalls weniger relevant, ist »Navalismus« als die spezifisch maritime Spielart des »Militarismus«. Diese Wortneuschöpfung kam Ende des 19. Jahrhunderts vermutlich zuerst in den USA auf, um gegen die massive Flottenaufrüstung zu agitieren. Der Militarismus zur See geht meistens mit ausgeprägten Expansionstendenzen nach Übersee einher. Vgl. dazu meinen Aufsatz über »Imperialismus und Imperialismustheorien« sowie perspektivisch meinen Sammelbandbeitrag über den »Navalismus damals und heute«.
Literaturhinweise
- Berghahn, Volker R. (1986): Militarismus. Die Geschichte einer internationalen Debatte. Hamburg u. a.: Berg.
- Conze, Werner; Reinhard Stumpf; Michael Geyer (2004): s. v. Militarismus. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck. 1. Aufl. Studienausg. [d. Ausg. v. 1982]. Stuttgart: Klett-Cotta, Bd. 4, S. 1–47.
- Strauß, Gerhard; Ulrike Haß; Gisela Harras (1989): Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin u. New York: Walter de Gruyter (= Schriften des Instituts für deutsche Sprache, Bd. 2), S. 248–253.
Stand: 11.12.2022